Wie ich schon früher erwähnte, wohnten wir im Art Ressort Galleria Umberto I., das heißt, im Art Ressort in der Galleria Umberto I. Eine der ersten, wenn nicht die erste Einkaufsgalerie der Welt. Zu ihrer Zeit natürlich sehr elegant und pompös ausgeführt und eher etwas für die Adeligen und Reichen. Wunderschön und nicht vergleichbar mit heutigen Bauwerken dieser Art.
Das Hotel, im obersten Stockwerk eines der Häuser dieser Gallerie gelegen, war auch ein prunkvoll ausgestattetes Haus, sehr elegant, sehr vornehm. Wir hatten Glück, wir bekamen ein Schnäppchen dort.
Unser erster Kontakt eine Hausklingel in der Gallerie mit Kamera. Neugierige Blicke von Touristen, als wir vor dem Eingangstor standen und Einlass bekamen wie im Sicherheitstrakt einer Reichenstadt.
Unser Name war wie eine magische Formel, wie ein "Sesam, öffne Dich!". "Yes, Sir, of course, Sir," klang es mir entgegen. Ein historischer Lift bot sich an, uns in den vierten Stock zu schaffen, der nach heutigen Maßstäben wohl eher der sechste oder siebte wäre. Zwei Schwingtüren in der Kabine, die man auf- und zumachen musste, und eine Scherentür am Gittergehäuse rund um den Liftschacht. Da traten wir wieder aus und gingen zu Fuß...
Im vierten Stock öffnete sich eine Glasschiebetüre vor uns. Ein Schwall arktischer Kälte trat uns wie eine unsichtbare Mauer entgegen. Von 40° auf 22°. Luxusherberge. Alles vollklimatisiert.
Am Empfangstisch hieß uns ein junger Philippino namens Cesar herzlich willkommen und führte uns in Art eines klassischen Dramas in unsere Suite. Die Sprache eines untertänigen Dieners mit korrekten und eleganten Formeln wie aus amerikanischen Kolonialfilmen brachte mich fast zum Schmunzeln. Eindeutig hatte er sich diesen Habitus selbst zugelegt, denn er hob sich damit weit vom Benehmen aller anderen Hotelangestellten ab. Bei näherer Betrachtung stellten wir fest, dass der junge Mann um einiges jünger war, als man anfangs wahrnimmt. Statt der geschätzten 25 Jahre war er eher 17, und das erklärte auch seine etwas kindliche Art, vornehm und dienlich zu sein.
Abends saßen wir auf unserem Balkon, und als ich feststellte, dass sich neben uns an der Wand die Gasleitung, der Gaszähler, und in einer anderen Ecke der Wasserboiler mit Gastherme befand, blieb Elisabeth fast der Rauch im Hals stecken...
Daraufhin entschieden wir uns, den Rauchsalon auf die allgemeine Terrasse neben dem Foyer zu verlegen. Nachdem alle gefährlichen Sachen sich auf unserem Balkon befanden, musste dort ja alles im Lot sein.
Wir sind nicht zu vorsichtig, aber ich konnte, meine Nase in die Nähe der Leitungsweiche haltend, das Gas riechen.
Am allgemeinen Balkon angelangt, saßen wir an einem Kaffeetischchen und schauten auf den Vomero und das beleuchtete Kastell. Cesar und ein zweiter, kleinerer Philippine, waren noch im Dienst.
Ich fragte den Kleinen, ob man uns Kaffee servieren würde. Ich hatte im Zimmer erstaunt festgestellt, wie günstig hier der Room Service war. Ein Cappuccino kostete aufs Zimmer 2,50 Euro, ein handelsüblicher Preis ohne Extrabedienung. Also konnte man getrost Kaffee bestellen, wenn der Weg zum Foyer doch viel kürzer als aufs Zimmer war.
"Yes, Sir, of course, Sir," sagte der junge Mann, schaute dabei aber etwas unsicher und nachdenklich, verschwand, um sich mit Cesar zu beraten, der dann auf uns zu trat.
"One coffee three fifty, is this okay?" Ein Kaffee 3,50 Euro. Das war aber komisch. Ich schaute zwar etwas verdutzt, bestätigte aber das "Angebot", und in einer für Gastronomiebedienstete unüblich langer Zeit kamen unsere Cappuccini daher.
Nach dem Genuss des Getränks sagte uns der Kleine, wir müssten bar bezahlen. Jetzt musste ich schmunzeln, und fragte Cesar, der hinter seinem Kollegen schützend Position bezogen hatte und lauernd meine Antwort abwartete, ob er hier auf eigene Rechnung handeln würde. "Oh, no no no no no," sagte er. Nun, leider hatte ich gerade nur eine 50-Euro-Note bei der Hand, die ich beiden zur Demonstration hinhielt. Die beiden wurden unsicher. Ob ich es denn nicht kleiner hätte, fragten sie. Hatte ich aber nicht.
Cesar verschwand. Der andere nestelte unsicher an seinen Fingern, sich fragend, wie nun weiter. Einen Ausweg suchend, fragte er:"Six Euro?". Jetzt war alles klar. Hier wurden Privatgeschäfte mit Kaffee gemacht. Ich überhörte das Angebot, achselzuckend stand ich mit meinem Fünfziger da.
Der Kleine verschwand, ich habe leider seinen Namen vergessen, und in der Lobby entstand eine unterdrückte heftige Diskussion zwischen den beiden. Gefühlte Stunden später kam er zurück, mit lauter vernudelten Banknoten. Elisabeth schüttelte sich vor Lachen. So bezahlten wir also unseren Kaffee.
Als wir zu unserem Zimmer aufbrachen, fragte uns Cesar, ob der Kaffee nach unserem Geschmack war, was wir freundlich bejahten. Der Kleine, wohl etwas übermotiviert, fragte dazu:"Did you like the decoration?" und meinte damit die hübschen Kaffeezeichnungen, die er in den Milchschaum gemacht hatte. Ja, ja, die waren wunderschön. Der Kleine grinste wie ein Malzzuckerl und freute sich so, dass er hätte Deckensprünge machen können. Wer, bitte, im ganzen Kaffeehausgeschäft, fragt denn nach der Verzierung??
Im Zimmer angekommen, kontrollierte ich die Preisliste für den Room Service. Dort stand eindeutig 2,50 Euro, mit der Anmerkung, dass die Getränkekosten direkt auf die Zimmerrechnung geschrieben werden. Aha!
Mit der Liste unterm Arm machte ich mich freundlich und als ob nichts wäre auf zur Rezeption. Cesar war gerade nicht da, dafür der Kleine. Wie es denn so gehe, fragte ich, und ob Cesar noch da wäre. Cesar komme gleich. Außerdem seien die beiden Brüder, der Kleine gerade ein Monat hier, Cesar schon etwas länger. Ihm gefalle die Arbeit, aber er lerne noch. Wir sprachen noch über unsere Reise und so. Dann ging uns der Gesprächsstoff aus und ich studierte den Stadtplan Neapels.
Ein älterer Herr, Philippine wahrscheinlich, trat herein und fragte auf italienisch, wo denn Cesare sei, wohlgemerkt die italienische Form des Namens ("Dschäsareh"). Es war schließlich ein sehr väterliches Auftreten, zu familiär und unprofessionell autoritär. Schätzung: Das war der Vater der beiden. Folgerung: das Hotel gehört den Eltern.
Nun, dieser Herr verschwand wieder etwas zwieder, und Cesar erschien wieder auf der Bildfläche. Grinste mich freundlich an und erstarrte, als ich ihm die Liste zeigte und eine Erklärung verlangte.
Das sei in Ordnung so, sagte er. Kein Problem! Nun, nichts anderes nahm ich an, sagte ich ihm, nur wolle ich eben verstehen, warum es da Unterschiede gibt. Noch einmal seine Beteuerung, das sei in Ordnung, völlig korrekt. Schließlich die Bemerkung, es sei ein anderer Kaffee als beim Room Service.
Aha! Haben die hier zwei Bars? Ist mir nicht aufgefallen. Na gut.
Cesar steigerte sich etwas in die Sache hinein, meinte, ich könne ja am nächsten Tag einen Kollegen fragen, er könne es auch aufschreiben. Dabei zog er bereits eine Zettel hervor und richtete sich für eine Notiz, in dieser Pose verharrend.
Wenn ich jetzt nichts sage, dachte ich, dann muss er sich wohl selbst einen Tadel aufschreiben für den nächsten Tag. Ich wehrte aber ab, wollte ihm klar machen, dass ich nur verstehen wollte, nicht anklagen, und dass mit der Erklärung alles in Ordnung wäre.
Das beteuerte er auch noch dreimal. Müde, aber zufrieden, machte ich mich auf ins Zimmer.
Am nächsten Tag, Cesare war nicht zu sehen, fuhren wir nach Pompeji. Als wir frühstückten und später, als wir das Hotel verließen, sah ich mir alles noch einmal an. Es war eindeutig nur eine Kaffeemaschine zu sehen, nur eine Bar. Die Angestellten für den Abend mussten einfach den Kaffee machen und auf die Zimmer bringen. Da war sonst nichts.
Der dritte Tag brachte die Abreise. "Sieh einer an," dachte ich. Cesare hatte Frühdienst und bediente im Frühstückszimmer. Er machte einen sehr dunklen und kühlen Eindruck. Keine Miene verzog er. Ich begann zu befürchten, er verübelte mir nun meine Nachfrage und konnte seine Abneigung kaum verhehlen. Hoffentlich würde er uns nicht in den Kaffee spucken...
Das Frühstück neigte sich dem Ende zu, und unser Aufenthalt im Hotel auch. Wir waren fertig und wollten aufstehen, da kam Cesare, machte Anstalten, meine Tasse abzuräumen, und fragte schließlich, ob ich mit der Kollegin gesprochen hätte. Ahaaaa! Das war des Pudels Kern.
Ich wehrte ab, ich hatte mit niemandem geredet, noch einmal der Versuch, klarzustellen, dass für mich kein Problem existiere.
Schließlich trafen wir Cesare das letzte Mal beim Auschecken an der Rezeption. Er hatte uns vom Frühstücksraum beobachtet und gesellte sich zu seiner Kollegin am Schalter, während wir mit ihr die Abrechnung machten. Bang beobachtete er das Gespräch zwischen mir und der Rezeptionistin. Diese bemerkte ihn und gab ihm ungeduldig Anweisung, das Zimmer schon einmal herzurichten und hier nicht rumzustehen. Cesare grummelte etwas zur Antwort, ging einige Schritte weg und blieb dort wieder stehen. Ein zweites Mal scheuchte ihn die Rezeptionistin weg, und diesmal ging er endgültig ab.
War ihm diese Begegnung mit uns eine Lehre? War ihm bange zumute?